REZENSION: Picknick mit Bären (A Walk in the Woods)

BILL BRYSON: PICKNICK MIT BÄREN

Originaler Titel: A WALK IN THE WOODS

Gelesen auf: DEUTSCH

 

Wenn ich heute einen Berg sehe, schaue ich ihn mir lange an und taxiere ihn mit einem selbstsicheren Blick aus Granitaugen.“ Seite 339

Allgemein

Der längste Fußweg der Welt verläuft in den USA vom Springer Mountain in Georgia bis zum Mount Katahdin in Maine. Das sind circa 3.510 km durch insgesamt 14 US-Bundesstaaten: Georgia, North Carolina, Tennessee, Virginia, West Virginia, Maryland, Pennsylvania, New Jersey, New York, Connecticut, Massachusetts, Vermont, New Hampshire und Maine. Es ist der Appalachian Trail, 

kurz AT. Der Trail ist berühmt für seine „Thru-Hikers“, abenteuerlustige Wanderer, welche die gesamten dreieinhalbtausend Kilometer in einem Stück abwandern – das dauert circa sechs Monate. Sechs Monate in der Wildnis, jeden Tag über Stock und Stein und nachts auf denselben in einem Zelt. Wer das schafft, kann wirklich stolz auf sich sein. Circa 10% jener Wanderer, welche im Süden am Springer Mountain starten, schaffen es bis in den Norden zum Mount Katahdin (oder umgekehrt, man kann den Weg natürlich auch von Nord nach Süd abwandern), die restlichen 90% geben irgendwo auf der Strecke auf: entweder weil sie aufgrund von Verletzungen oder ähnlichem aufhören müssen, oder weil sie einfach nicht mehr können. Viele scheitern nicht nur physisch, sondern vorallem auch psychisch an den Strapazen des täglichen, harten Wanderns und Bergsteigens sowie der völligen Abgeschiedenheit von der Außenwelt.

Das Buch

Bill Bryson hat sich entschieden, den AT abzuwandern. Eine recht tollkühne Entscheidung. Mit altgewohntem Sarkasmus und sympathischer (Selbst-)Ironie schildert Bryson nicht nur seine Abenteuer, welche er zusammen mit seinem Wandergefährten Stephen Katz am Trail übersteht, sondern bringt dem Leser auch allerhand Faszinierendes bis Erschütterndes über den Zustand der amerikanischen Flora und Fauna näher. Die Wanderung entlang des Appalachian Trails ist gespickt mit Anekdoten, welche sowohl beängstigend, aufrüttelnd, verwirrend wie überhaupt außergewöhnlich unterhaltsam sind. Bryson nimmt uns mit auf seine harte, kräftezehrende Reise durch die ostamerikanische Wildnis – immer mit offenen Augen und gespitzten Ohren, es könnte ja ein Bär im nächsten Gebüsch lauern. Jedoch nicht ohne vorher genauestens aufzulisten, welche Gefahren auf den beschwingten Wanderer während der immensen Strecke lauern und woran man sonst noch so sterben könnte. Hier ein kleiner Einblick: „Die Wälder waren voller Gefahren – Klapperschlangen und Mokassinschlangen, Rotluchse, Bären, Kojoten, Wölfe und Wildschweine; gemütskranke Hinterwäldler, durch den großzügigen Konsum von Maisschnaps und sündigen Sexualpraktiken über Generationen aus der Bahn geworfen; tollwütige Stinktiere, Waschbären und sogar Eichhörnchen; unbarmherzige, rote Ameisen und wütende Kriebelmücken; gemeiner Giftsumach, kletternder Giftsumach; giftige Färbereiche und giftige Salamander; versprengte Elche, die von einem parasitären tödlichen Wurm befallen sind, der sich in ihrem Gehirn einnistet und sie dazu anstiftet, harmlose Wanderer über entlegene, sonnenbeschienene Wiesen zu jagen und sie in Gletscherseen zu treiben.“ (Seite 13).

Dergestalt doch eher entmutigt (sollte man je selber mit dem Gedanken an eine AT-Wanderung geliebäugelt haben) geht es ab in die Wildnis. Mutig schlagen sich Bryson und Katz durch Berg und Tal, Wald und Wiese, ja sogar vor reißenden Flüssen und tiefen Seen machen sie nicht halt. Und immer bekommt der Leser ein bisschen mehr von der Umgebung mit, als es eigentlich gemütlich zuhause sitzend und lesend möglich wäre. Ob die beiden tollkühnen Wanderer den gesamten Trail geschafft haben? Das erfährt nur der ausdauernde Leser…

Meine Meinung

Tatsächlich war ich nach der detailreichen Auflistung der vielfältigen Gefahren des Trails doch etwas, sagen wir es gelinde, abgeschreckt und skeptisch was diesen AT angeht. Ich habe bereits ein anderes Buch von Bryson gelesen und war daher mit seinem Stil vertraut, den ich übrigens sehr schätze. Sehr unterhaltsam und spannend fand ich die zahlreichen Anekdoten und Geschichtchen, welche der Autor immer wieder nahtlos in die Handlung eingebaut hat, zwischendurch wird die Wanderung mit interessanten Details und erschütternden Missständen zu Flora und Fauna entlang des Trails gefüttert. Wenn es einer schafft, ein Buch gleichzeitig informativ, witzig und unterhaltsam zu schreiben, dann Bryson!

Ein Satz

Langsam fing ich an zu begreifen, dass die wichtigste Erfahrung, die man auf dem Appalachian Trail macht, die der Entbehrung ist, dass der ganze Sinn und Zweck der Unternehmung darin besteht, sich so weit von den Annehmlichkeiten des Alltags zu entfernen, dass die gewöhnlichsten Dinge, Schmelzkäse, eine schöne mit Kondenswasserperlen besetzte Dose Limonade, den Menschen mit Staunen und Dankbarkeit erfüllen.“ (Seite 74).

Für LeserInnen die

eine Reise durch einen Teil der USA machen wollen, die gerne Wandern, die die Natur mögen, die was lernen und dabei gleichzeitig unterhalten werden wollen. Und für LeserInnen, die die Augen nicht vor Missständen verschließen, sondern Genaueres wissen wollen.

Bewertung

Das Buch war sehr unterhaltend! Eine gute Mischung zwischen Unterhaltung, Information, Wissen und Spaß. Von mir gibt es dafür 

BILL BRYSON – PICKNICK MIT BÄREN

Taschenbuch: 352 Seiten

Verlag: Goldmann Verlag (1. September 1999)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3442443954

ISBN-13: 978-3442443956

Größe und/oder Gewicht: 18,3 x 11,6 x 3 cm (falls Sie das Buch zum Wandern mitnehmen wollen…)

Preis: 8,99 Euro


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7 Antworten zu REZENSION: Picknick mit Bären (A Walk in the Woods)

  1. Kathrin schreibt:

    Oh, dieses Buch liegt auch noch auf meinem SUB. Und ich bin froh, endlich mal eine positive Meinung zu „A Walk In The Woods“ zu lesen – bisher habe ich immer nur Negatives gehört bzw. dass dieses Buch im Vergleich zu Brysons anderen Werken recht schwach sein soll. Dank dir bin ich nun wieder optimistischer 🙂

    • Cornelia schreibt:

      Meine Schwester fand das Buch auch langweilig. Es geht teilweise schon sehr detailliert und abschweifend auf Flora und Fauna ein, aber da ich denke man kann nie genug Allgemeinwissen haben, fand ich das nicht überwältigend ermüdend. Meine Erwartungen hat es zum Großteil erfüllt…

  2. Kathrin schreibt:

    Das mit dem Allgemeinwissen sehe ich auch so. Ich lerne/informiere mich eh gerne weiter. Es kommt ja aber auch darauf an, wie das Wissen verpackt ist bzw. vermittelt wird.Und bei Bryson bin ich diesbezüglich optimistisch 😉

  3. Kathrin schreibt:

    Ich muss gestehen, ich habe drei Brysons bei mir stehen, aber noch keines gelesen bzw. habe ich die beiden „A Short History…“-Bücher nur kurz angelesen – diese Zeilen haben mir aber immer schon seeehr gefallen und ich habe schon merken können, dass Bryson einen tollen, sehr amüsanten Schreibstil hat. Ohne dich wäre ich vermutlich nie auf ihn und seine Bücher gestoßen – daher danke für diesen Tipp!
    Momentan fehlt mir meist die Zeit und/oder Energie zum Lesen, das MUSS sich aber jetzt endlich wieder ändern – mein SUB ist zu groß. Und gerade auf „A Short History of Nearly Everything“ hattest du mich damals so neugierig gemacht, dass ich mich mitunter ärgere, dass ich noch nicht zum Lesen gekommen bin.

    Im Übrigen wollte ich dir auch noch ein großes Kompliment für obige Rezension geben – so informativ und umfangreich! Klasse! Solche guten und tiefgehenden Eindrücke zu einem Buch sucht man auf vielen Blogs leider vergeblich 😦 Also mach weiter so 😀

    • Cornelia schreibt:

      Das kenn ich nur zu gut… auf mich warten auch schon einige Bücher und ich komm einfach nicht dazu… aber das wird sich bald ändern! Ich bin gespannt, wie du die Brysons findest! Hast du sie dir auf Englisch oder auf Deutsch gekauft?

      Oh danke für das Kompliment, das freut mich sehr! Ich mach also weiter so 🙂

  4. Kathrin schreibt:

    Alle drei Brysons sind auf Englisch. „A Short History of Nearly Everything“ wollte ich ursprünglich auf Deutsch lesen, weil ich mir nicht sicher war, ob ich die komplexen Sachverhalte auf Englisch auch vollständig verstehe. Doch dann hatte Ama neulich diese tolle Aktion: Drei englische Bücher für insgesamt nur 15 Euro – da musste ich dann einfach zuschlagen 😉

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